
Wie gefährdet sind meine Implantate?
Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland leidet unter Bruxismus. Gerade weil die künstlichen Zahnwurzeln aus Titan so fest im Kiefer einwachsen, kann das ein Problem für die Zahnkronen werden.
Wachen Sie auch manchmal auf und Ihr ganzer Kiefer ist verspannt? Oder Sie können nachts nicht schlafen, weil Ihr Partner Sie mit knackenden, mahlenden Geräuschen wach hält? Sie sind nicht allein. „Bruxismus“ – so der Fachbegriff für stundenlanges, nächtliches Zähneknirschen – ist sprichwörtlich in aller Munde: Typische Spuren an den Zähnen findet man inzwischen bei jedem fünften Erwachsenen hierzulande.
Dabei sollten Unter- und Oberkiefer eigentlich nur beim Kauen und Schlucken direkt Kontakt haben – etwa eine halbe Stunde pro Tag. In der restlichen Zeit befinden sich die Zahnreihen in einer Ruhe-Schwebe-Lage, in der sich Kaumuskulatur und Kiefergelenk erholen können – so weit die Theorie. In der Praxis dient das malmende Durch-, Fest- und Zusammenbeißen vor allem der Stressbewältigung.
„Diese Ventilfunktion ist vielleicht gut für die Seele“, berichtet Dr. Timo Adam vom Zentrum Hamburg der European Centers for Dental Implantology (ECDI). „Gerade bei der wiedererlangten Kaufähigkeit durch Implantate ist Bruxismus ein leider oft unterschätztes Risiko für den Zahnersatz im Ganzen.“
Verblüffend daran ist, dass ausgerechnet das gute Einwachsen der Titanwurzel dazu beiträgt, dass Probleme auftreten können. Eine Studie der Universität Erlangen Nürnberg hat ergeben, dass zwar rund 95 Prozent aller Implantate nach fünf bis zehn Jahren unversehrt sind. Doch dass bei den Aufbauten jede vierte bis fünfte Krone, Brücke oder Prothese repariert oder gar neu angefertigt werden musste.
„Beim natürlichen Zahn registrieren spezielle Bio-Sensoren im Zahnhalte-Apparat die Kräfte, die beim Kauen auftreten“, klärt Dr. Adam aus Hamburg, das scheinbare Paradoxon auf. „Beim Implantat fehlen dem Gehirn diese Informationen. Deshalb setzen gewisse Schutzreflexe nicht ein, den Zahn vor Dauerüberforderung schützen sollen.“
Tatsächlich bricht ein Implantat – einmal eingewachsen – erst aus dem Knochen, wenn Belastungen von über drei Zentner auf ihm lasten. Und damit hält es nicht nur jeden Druck aus, der beim Kauen von Speisen auftritt (circa fünf bis zehn Kilo), sondern auch Belastungsspitzen von bis zu 80 Kilo, die bereits beim nächtlichen Zähneknirschen gemessen wurden.
Deshalb ist die ungeheure Kraft, die vier starke Muskelpaare des Kauapparats entwickeln, so problematisch für den Aufbau. Dr. Timo Adam: „Schliffspuren auf den Zähnen sind erste Warnhinweise. Die exakte Diagnose stellen wir per computergestützter Funktionsanalyse, die verschiedene Kaubewegungen millimetergenau auswertet. Anhand dieser Daten können wir dann individuell die beste Therapie zusammenstellen.“
Als Soforthilfe bietet sich zum Beispiel das Tragen einer Entlastungsschiene für die Nacht an. Aber auch das Erlernen von Entspannungsübungen, wie z.B. Yoga oder autogenes Training (Kurse z.B. über die Krankenkasse) sorgen für einen besseren Stressabbau – und damit für eine längere Lebensdauer der Aufbauten auf den Implantaten.